Liebe Andrea,
was Angie schreibt, zeigt die Brisanz der Situation.
Sie hat keine Zeit, um auf eine schnelle Lösung zu spekulieren.
Jetzt geht es um das selbst machen. Sie darf nicht zurückschauen, sondern jetzt heißt es in den vorhandenen Gegebenheiten klarzukommen. Jetzt müssen Wege gesucht werden, die eine selbständige Zukunft als Ziel haben. Medikamente und Hilfsmittel sind hierbei nicht die Lösung.
Aller Anfang ist schwer. Aber auch wenn man flucht, weil es nicht gelingen will, jetzt ist die Zeit, wie ein kleines Kind " Ich allein!" Hilfe möglichst abzulehnen. Um so seine Erfahrungen zu sammeln. Die Perfektion kommt später.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, Beispiel: Die Zahnpasta auf die Zahnbürste auftragen. Erst als ich versuchte mich auf die Zahnbürste zu setzen und dann das Zahnpasta auftragen konnte, gelang es nach einigen Fehlversuchen. Später nutzte ich die Spastik und auch das gelang. Mit dem Waschlappen war das ähnlich. Einzig das Fingernagelschneiden funktionierte nicht. Erst als ich einen Nagelknipser mit Standfuss fand, war auch das kein Problem mehr. Heute gibt es die auch schon mit automatischem knipsen.
Dann der spastische Fuß, Alle Billigorthesen halfen mir nicht. Erst die teuren orthopädischen Maßschuhe mit Reißverschluss halfen. Das Einhandschnüren habe ich nicht erlernt, weil ich dies für mich nicht akzeptierte. Barfuß geht, ist aber wegen der Stolpergefahr gefährlich.
Rollstuhl habe ich abgelehnt. Ich brauchte allerdings ab und an eine Person, die mich vom Boden aufhob. Als mir das zu blöd war, habe ich mich an mein Falltraining beim Handball erinnert und so lange geübt, bis ich mich fallen lassen konnte, ohne mir wehzutun und sogar wieder das Aufstehen vom Boden gelernt hatte. Danach bin ich nicht mehr gefallen.
Ähnlich war das mit dem Autofahren, erst als mein Vater mir ein Auto mit Automatik und einer Einhandbedienung für den Blinker und das Licht kaufte war ich wieder in Richtung Erwerbsleben unterwegs. Den hierzu erforderlichen Test habe ich dann auch bestanden.
Wiedereinstieg in den Beruf war für alle Institutionen klar unmöglich. Es geht, ist zwar schwierig und man muss wieder von "Unten" mit der "Faust in der Tasche“ anfangen, aber es klappt. Die Mühlen der Bürokratie sind die schwierigsten Hürden.
Mein Tipp: Sag Deiner Freundin, dass Sie die Chance hat wieder ins selbständige Leben zurück zu kommen. Es braucht Zeit, Geduld und Freunde, die einem helfen. Dann funktioniert alles Mögliche, dass man anfangs für unmöglich gehalten hat.
Liebe Grüße
Heinz