Nun habe ich, wie vielleicht manch andere Angehörige auch, von Anfang an den Fehler gemacht, ihm zu viel, um nicht zu sagen alles abzunehmen. Ich wurde immer wieder gewarnt und habe es nicht wahrhaben wollen, nun ist es zu spät.
Was den Neglect anbelangt, warte noch ein bisschen ab, da kann sich noch etwas tun. Mein Mann hat ihn verloren, entgegen der Prognose des Neuropsychologen, welcher auch vorhergesagt hat, er würde nie wieder arbeiten können, was sich auch nicht bewahrheitet hat.
Trotzdem zum Schluss noch eine bzw. meine Erkenntnis: Es wird vieles besser, nur leichter wird es (wenn auch auf andere Art und Weise) leider nicht.
Liebe Grüße Marganna
Hallo Marganna,
m.E. gab und gibt es unterschiedliche Gründe für das Phlegma.
Einerseits die Bequemlichkeit, die durch uns auch am Anfang unnötig gefördert wurde indem wir zu viel abgenommen haben (ich teilweise auch aus Angst es könne etwas passieren)
Andererseits aber auch, weil die Handlungsplanung anfänglich gar nicht mehr vorhanden war und auch jetzt bei komplexeren Vorgängen eine Herausforderung darstellt. Das kann man aber üben und das wurde bei meinem Mann schon viel besser!
Und dann vermute ich, dass in den Anfängen der Kopf unserer Männer manchmal so wirr war, dass sie ihre Gedanken nicht ordnen konnten - oder irgend etwas anderes ihnen kognitiv das Leben schwer gemacht hat. Das vermute ich für die Zeiten, in denen sie - wenn man es zulässt stundenlang - in eine Ecke starren. Das war bis zum epileptischen Anfall meines Mannes (also nach der Reha runde 5 Monate) regelmässig der Fall und hat mich ziemlich beunruhigt.
Letzteres ist bei uns wie gesagt verschwunden. Wenn er mal ins Leere schaut, dann nicht lange und das darf ja auch sein. Jeder hat so Momente bei denen er bei sich selbst nach Innen schaut und nur nachdenkt.
Ich widerspreche Dir beim: es ist zu spät. Resigniere nicht!
Nein, das ist es nicht. Bedarf aber einer Konsequenz Deinerseits die Dir auch unangenehm werden kann und vermutlich jetzt einfach länger, als wenn Du gleich zu Anfang bestimmte Dinge nicht zur Gewohnheit hättest werden lassen.
Ich sage meinem Mann immer wieder: wenn Du Dich nicht beteiligst, dann schaffe ich das nicht auf Dauer alleine. Jede Unterstützung die Du beisteuerst trägt dazu bei, dass wir wieder ein gutes Leben führen und zusammen bleiben können. Und ich lobe, lobe, lobe (und frage mich nur selten: und wer lobt mich?) - Lob und Anerkennung hat bei meinem Mann schon immer viel bewegen können.
Er hat Aufgaben wie: Spülmaschine ein- und ausräumen, Boden saugen, sein Morgenmüsli selbst richten (fordert kognitiv und motorisch - ist also auch gleich eine gute Übung), Betten richten, Blumen gießen (wenn eine wegen Überwässerung abnippelt, dann ist das halt so), neuerdings Unkraut jäten und seine Kisten und sein Altkram zu sortieren damit der Umzug nicht ganz so aufwändig wird. Mit Letzterem ist er reichlich beschäftigt, manchmal auch überfordert - aber ... es lockt auch Erinnerungen hervor. An manches muss ich erinnern, manches läuft inzwischen (fast) von selbst.
Tisch decken ist allerdings ein Trauerspiel. Mein Mann lässt sich da gerne bedienen (er sitzt wirklich da wie der Pascha) und denkt da auch mal gerne nur an sich wenn ich ihn dazu auffordere. Meine Lektion neuerdings für ihn (nachdem erklären und reden nichts half und ich merkte, dass ich beginne mich zu ärgern): ich schnappe mein Essen, Getränk und Besteck und esse auf dem Balkon. Ich erkläre aber auch weshalb ich das tue. Schaun mer mal, ob das etwas bewegt.
Und glaub nur nicht, dass das ein Selbstläufer war. Mit der Spülmaschine habe ich angefangen. An abenteuerliche Einräumaktionen muss man sich gewöhnen und erinnern musste ich lange Zeit. Dafür ist es etwas, wofür er sich Zeit nehmen kann. Es dauert so lange wie es dauert und wenn etwas unmöglich einsortiert ist, dann habe ich das anfangs stillschweigend nachträglich geordnet (um nicht gleich Frust aufkommen zu lassen und später dann zusammen gerichtet und dabei erklärt)
Fang mit einer einzigen Aufgabe an. Irgendwann (das kann dauern) kann eine zweite dazu.
Auch wenn sich das diktatorisch lesen mag, ich habe den Eindruck, dass es meinen Mann letztendlich inzwischen stolz macht. Das Müsli richten ist eine meiner neueren Einführungen. Anfangs dachte ich, dass das maximal bis zum Abzählen von Haferflocken und sonstigen Zerealien reichen wird (wir verwenden keine Fertigmischung - das geht eher in Richtung Haferbrei), aber inzwischen kommt da entweder Honig, Obst, Marmelade rein, Milch, Joghurt (ebenfalls abgezählt) und klein geschnippelte Trockenfrüchte die er auch zerkleinert. Dann umrühren - möglichst mit der rechten Hand. Das ist in Summe eine ordentliche Übung. Manchmal bin ich dabei und unterstütze bei der Handhaltung, manchmal lasse ich ihn damit völlig alleine. Es dauert alles, aber am Ende steht ein gutes Ergebnis und mein Mann ist mit sich zufrieden (und ich auch )
Über das besser und leichter muss ich noch nachdenken ... denn manchmal denke ich inzwischen, dass es nur deshalb für uns nicht leichter wird, weil wir "abgearbeitet und ausgelutscht" sind.
Denn, hätte ich das, was ich heute mit meinem Mann habe von Anfang an gehabt, das wäre ein Spaziergang gewesen.