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AdaBo

Südniedersachsen, Deutschland

Progressiver hämodynamischer Hirninfarkt - 8 Monate danach

Schon lange lese ich hier mit, bin dankbar für die vielen Informationen und finde es jetzt an der Zeit, mich/uns nun endlich mal vorzustellen.

Im September letzten Jahres erlitt mein Mann (65J.) einen Schlaganfall. Diagnose: Progressiver hämodynamischer Hirninfarkt aufgrund Verschlusses der inneren Halsschlagader. Therapie in Form von Lyse oder OP waren nicht möglich.

Es gab Vorzeichen, die weder er noch ich richtig gedeutet haben in Form von z.B. zunehmender Gestresstheit, nachlassender Konzentration und zunehmender Erschöpfung. Vor allem Kopfarbeit schien ihm zunehmend schwer zu fallen. Er schien ständig unter Druck zu stehen, fühlte sich körperlich absolut nicht wohl, die Symptome (über die er nicht gerne sprach) waren aber nicht wirklich „fassbar“ oder erklärbar. Zudem hatte er bereits diverse Vorerkrankungen und OPs und somit einiges an Möglichkeiten, was mal wieder los sein könnte… An Vorboten eines Schlaganfalls hat jedenfalls keiner von uns gedacht.

Die Symptome verstärkten sich schleichend, er vermutete noch einen Infekt, legte sich schließlich hin, konnte aber plötzlich nur noch verwaschen sprechen, das für mich einzige Symptom, das ich im Nachhinein (!) einem Schlaganfall zuordnen konnte. Den Rettungswagen habe ich trotzdem gerufen. Noch zu Fuß stieg er dort ein, konnte sich, wenn auch etwas nuschelnd, mitteilen. Die neurologischen Tests der Sanitäter waren ok.

In der Notaufnahme folgte die Diagnose, über 2 Tage verschlechterte sich sein Zustand drastisch: Hemiparese rechts, Sprache komplett verloren, das einzige verständliche Wort war „Nein“.

Es folgten 5 Tage in der Klinik, danach knapp 5 Monate in der Reha. Anfangs konnte er in der Rehaklinik nichts allein, musste mit dem Lifter aus dem Bett gehievt werden und war mit Dauerkatheter versehen, Getränke und Essen wurden angedickt. Essen konnte er wieder nach ein paar Tagen, bis er halbwegs im Rollstuhl sitzen konnte dauerte es Wochen.

Bei Entlassung konnte er sich mittels Stock daheim im Haus bewegen (Rollstuhl wäre eh nicht möglich) und auch draußen mit Stock und Orthese ca. 100m gehen.

Die Reha-Zeit war geprägt von heftigsten Schmerzen in rechter Schulter/Arm, immer wiederkehrenden Harnwegsinfekten, COVID ließ er auch nicht aus, und er verlor mehr als 20 kg Gewicht. Eine Herzkatheter-Untersuchung wurde zwischendurch in anderer Klinik angeordnet, diese brachte leider auch zwei zu 75% verschlossene Arterien zu Tage, Stent aber noch nicht notwendig. Ich war bis auf 4 Tage täglich bei ihm, die Wochenenden oft ganztägig. Nachdem klar war, dass er die Stufen in unser Haus bewältigen kann, war er zweimal über Nacht zu Hause, was sich als immens wichtig erwiesen hat. Da zeigte sich manche Grenze und wir wussten dadurch, welche Hilfsmittel wir bei Entlassung benötigen.

Nicht zuletzt ist es neben den intensiven Therapien und sicher auch einfach „Glück gehabt“ sicherlich auch seinem Ehrgeiz, seinem Dickkopf und starken Willen zu verdanken, dass er sich bis in Phase D vorgearbeitet hat, dies entgegen der Prognose der Ärztin. Entlassen wurde er als nicht-arbeits- und nicht-selbstversorgungsfähig.

Seit Februar ist er zu Hause und wir kommen doch recht gut klar, konnten die anfänglichen Unsicherheiten eindämmen. Er wurde völlig kaputt/erschöpft aus der Reha entlassen und hat die ersten 4 Wochen gefühlt nur geschlafen, was ihm scheinbar sehr gut tat und was er wohl gebraucht hat. Er konnte sich tatsächlich etwas erholen, was für eine Erleichterung nach der stressigen Zeit!

Die Therapeuten kommen zu uns nach Hause, Physio und Logo 3x die Woche, Ergo 1x. Die Verständigung klappt inzwischen recht gut, er kann immer häufiger den einen oder anderen Muskel im Bein ansprechen und die Schulterschmerzen werden weniger. Der „Alltag“ scheint ein sehr gutes Training zu sein, sogar Spaziergänge sind inzwischen drin und manchmal ist er regelrecht „agil“, macht eigene Übungen, usw. Natürlich gibt es auch die anderen Tage mit deutlich weniger Energie und schlechterem Beisammensein, Erholung nach jeder Aktion muss sowieso sein.

Mit dieser positiven Entwicklung habe ich kaum noch gerechnet. Die ärztlichen Prognosen waren düster und ich musste auch erstmal lernen, dass meine Vorstellung vom Verhalten und Training nach Schlaganfall rein angelesen/theoretisch ist und absolut nichts mit meinem Mann zu tun haben muss. Ich musste lernen, loszulassen, dass ich ihn nicht retten kann und z.B. aufgezwungene Übungen nichts bringen. Bestenfalls kann ich ihn auf SEINEM Weg unterstützen, sodass daraus wiederrum bestenfalls ein gemeinsamer Weg wird.

Ich bin froh, dies Forum gefunden zu haben, hier wurden mir bereits viele meiner Fragen beantwortet, ebenso, wie ich mich in vielen Angehörigen-Beiträgen wiedergefunden habe. Es gibt einiges, gerade die Rolle der pflegenden Angehörigen betreffend, was mich schon jetzt betroffen macht. Dazu später sicher mehr, wie sicher auch die eine oder andere Frage.

Ada

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