#81

Marganna

Rheinland, Deutschland

Das hast du schön geschrieben Le Chuk und ich verstehe gut, dass du deine Frau viel lieber zu Hause hättest. Aber bedenke, dass das auch mit viel Stress verbunden ist, den du zusätzlich zu deiner Arbeit und allem anderen auch noch hättest. Ich kann dir aus Erfahrung sagen wie es ist, wenn man keine Nachtruhe findet und soll trotzdem funktionieren. Andererseits würden dir die Fahrten zu ihr erspart bleiben und du hättest sie immer bei dir und wüsstest immer wie es ihr geht. Es hat alles zwei Seiten. 

Weiterhin alles Gute und viel Kraft für dich!

#82

Amsel

Main-Tauber-Kreis, Deutschland

Hallo Amsel,

Bei uns dreht es sich nicht nur um profane Dinge wie Spülmaschine einräumen oder Kaffee kochen, das hat andere Ausmaße und Dimensionen, zumal wenn man Hausbesitzer ist und es vieles gibt, um das man sich kümmern muss oder müsste. Mich wurmt halt sehr, dass er auf der Arbeit oder bei anderen Leuten alles so darstellt, als würde alles prima laufen was es tatsächlich jedoch nicht tut. Natürlich hätte es auch anders ausgehen können und er könnte gar nichts mehr, ich müsste und bin ja auch froh und dankbar, dass es wenigstens so ist. Aber trotzdem, ach dann komm ich wieder zu dem Gedanken, ich jammere auf hohem Niveau und doch kann ich nicht dagegen an. Das meinte ich mit "es wird nicht leichter". Wenn ich selbst noch fitter wäre und das alles besser wuppen könnte, würde die Sache ganz anders aussehen. 

Ich bin auch in vielem schon am Zurückrudern und springe nicht mehr und lasse mich nicht mehr vor den Karren spannen, aber dann ist er eingeschnappt. 

 

Hallo Marganna,

dann freu' Dich, wenn die profanen Dinge laufen - sofern sie laufen. Von etwas anderem wage ich nämlich gar nicht zu träumen. Hier bei uns hängt auch eine Immobilie dran inkl. Garten der mich überfordert und noch ein paar andere Dinge dazu. Mein Mann wäre gar nicht in der Lage sich darum zu kümmern. Vieles kommt erst jetzt wieder aus seiner Erinnerung hoch. Dabei war mein Mann einmal ein kleines Genie was Handwerk, Technik und Garten anging. Aber eben auch ein Chaot. 

Ich stehe oft genug vor einem Problem und weiß erst einmal nicht weiter. 

Das ist mit einer der Gründe weshalb das Haus verkauft wird und wir in eine Eigentumswohnung umziehen. Ich kann einfach nicht mehr und dem Haus würde es auch nicht gut tun, wenn ich noch ein paar Jahre weiter mache mit "Notlöcher stopfen". Für vieles bekommt man ja keine Handwerker... 

Und glaub' mir - bis ich sage "ich kann nicht mehr" das dauert. 

Ja, Du magst auf hohem Niveau jammern - und ja, unter uns Gesangesschwestern, Du tust es. Nur mach' Dir das nicht zum Vorwurf - ich habe nicht umsonst geschrieben: hätten wir die Ausgangslage so wie sie bei uns heute ist am Anfang gehabt, es wäre vieles leichter gewesen und besser gelaufen.

D.h. wir sind einfach "verbraucht". Um wieder optimistisch und mit Energie die Probleme die nun mal da sind anzugehen würden wir erst einmal ein paar Wochen, wenn nicht Monate, benötigen um Abstand zu gewinnen und unsere Seelen wieder einmal streicheln zu können.

Die Chance bekommen wir nur nicht und ich glaube auch nicht, dass mich eine Reha (die wir ja verordnet bekommen könnten) wirklich weiter bringen würde denn mir wäre ja die ganze Zeit klar: 

a) wenn ich nach Hause komme hat sich nichts geändert und

b) wenns ganz unschön läuft hat mein Mann wieder Rückschritte gemacht weil ihn ein Pflegeheim ganz sicher nicht positiv stimmen würde (um das vorsichtig zu formulieren). Ihn beruhigt es mich im Hintergrund zu wissen. Manchmal denke ich, ich bin ein Teil von ihm geworden. 

Wenn wir unseres Lebens aber wieder etwas froher werden wollen, dann werden wir aus unserem Jammertal wieder heraus finden müssen. So ist das ja nun auch kein Zustand. 

Etwas besser wurde es bei mir, als der Entschluss stand, dass wir umziehen werden und als wir aktiv damit begannen uns nach Immobilien umzuschauen. Mich überfordert das im Moment zwar einerseits, aber das tat mir auch gut - und überraschender Weise auch meinem Mann. Der wuchs tatsächlich in den letzten Monaten über sich hinaus.

Es ist jetzt nicht so, dass ich mit mir und unserer Situation völlig im Reinen bin, aber es ist nicht mehr so schlimm wie vor 2 Jahren. Ich habe zwar meine Tiefs, aber mindestens ebenso viele Hochs mit Zuversicht und einem sachten Optimismus.

Vielleicht solltest Du auch einmal darüber nachdenken ob Du etwas in euren Rahmenbedingungen ändern wolltest und auch könntest. Muss das Haus sein, oder tut's nicht auch eine schöne, große, helle Eigentumswohnung? Ihr werdet auch nicht jünger. So oder so wird das irgendwann ein Thema für euch sein. Warum dann nicht jetzt schon? Dann hättest Du einiges weniger am Hals. 

Ich habe vorgestern folgende Sendung gesehen NACHTCAFÉ: Tapetenwechsel - einfach mal raus? (ardmediathek.de) .. die Entwicklungspsychologin die darin zu Wort kam beschreibt einiges worüber es lohnt nachzudenken. Es geht in dieser Sendung nicht um Krankheit/Schlaganfall, sondern um Tapetenwechsel/Änderungen in unserem Leben und was das bewirkt. 

 

 

 

 

#83

Christine

Koblenz, Deutschland

Hallo zusammen,

Ich beneide Euch. Vollkommen Wertungsfrei. Positiv.

Lieber Le Chuk, Du hast vollkommen Recht. So ging es mir auch, als Ben in der Frühreha war. Ich habe hier im Forum ältere Beiträge gelesen, und wenn dann jemand berichtet hat, was möglich ist, habe ich gehofft, dass es bei uns auch so sein wird. Wieder zusammen auf dem Sofa sitzen. Auf dem Balkon einen Kaffee trinken. Ich bin für alles, was jetzt wieder geht, unendlich dankbar. Wir waren am Samstag im Restaurant, und einen kurzen Moment lang war es wirklich wie früher und ich konnte alles ausblenden, was geschehen war. Aber in jeder neuen Phase warten neue Herausforderungen. Ich bin glücklich und dankbar, dass Ben zuhause ist. Aber mir wurde jetzt erst klar, dass das Leben zuhause mit ihm mit unserem Leben vor dem Schlaganfall wenig zu tun hat. Ich bin nur noch am Rotieren, habe die komplette Verantwortung für zwei Leben und weiß manchmal nicht, wo mir der Kopf steht. Das Leben zu zweit bewältigen – das ist Vergangenheit. Jetzt heißt es, allein das Leben für zwei zu bewältigen. Ich hoffe ich schaffe es. Ich mache es, weil ich Ben liebe und kann mir nichts Anderes vorstellen. Aber als er mich kürzlich nachts geweckt hat, weil er nicht wusste, wo er war, war ich den Tränen nahe. Weil ich so furchtbar müde war und dachte, das wird nie mehr anders werden.

Liebe Marganna,

obwohl ja jedes Schicksal anders ist, ähnelt sich die Situation bei uns anscheinend sehr. Ein Unterschied besteht zu dem Freundeskreis, wir hatten nie einen großen, insofern fällt das nicht ins Gewicht.

Ich habe auch den Eindruck, dass es bei uns einige Parallelen gibt. Was den Freundeskreis betrifft: Das sind vor allem Bens Freunde. Er ist geselliger als ich, ich bin eher introvertiert und am liebsten mit ihm allein. Er hat früher auch viel ohne mich unternommen, da konnten wir beide Energie tanken: ich beim Alleinsein, er bei Treffen mit vielen Leuten, die auf ihn belebend wirkten. Aber gerade weil es eher seine Freunde sind, geht es mir auf die Nerven, dass sie nun von mir so viel erwarten. Von den "Partyleuten" kommt keiner mal nachmittags eine Stunde vorbei, um Zeit mit ihm zu verbringen. Aber abends, wenn er schlafen will, soll ich ihn irgendwohin fahren, nur damit sie ihr gewohntes Programm durchziehen können. Naja, was soll's, diese Freunde sind in ein paar Monaten sowieso verschwunden.

Liebe Amsel,

Er hat Aufgaben wie: Spülmaschine ein- und ausräumen, Boden saugen ...

Ben ist noch lange nicht so weit, aber früher oder später sollte er kleine Aufgaben übernehmen. Gestern kam mir aber der Gedanke: Im Grunde würde mich das nicht entlasten. Es wäre wieder etwas, was ihm guttut und für mich mit Stress verbunden wäre. Zumindest, wenn sich seine Haltung nicht ändern würde. Im Moment gibt es immer Diskussionen, wenn er etwas selbst machen soll. Beispiel: Er soll nicht nur nachts, sondern auch beim Mittagsschlaf die Urinflasche selbst benutzen. Er kann das. Und ich hätte vielleicht eine Stunde, in der ich konzentriert arbeiten könnte etc. Aber daraus entsteht dann immer ein Grundsatzdiskussion, er argumentiert damit, dass er sowieso immer Hilfe benötigen werde und sowas für mich eine Kleinigkeit sei. Der Gedanke, dass jeder Schritt in die Selbständigkeit wertvoll ist, will nicht in seinen Kopf. Da frage ich mich schon: Ist es nicht eine Illusion, dass er jemals im Haushalt irgendwas selbständig erledigen kann? Andererseits sind wir erst am Anfang und ich will nicht zu pessimistisch sein ...

Mal eine andere Frage: Gehen eure Männer weiterhin öfter in die Reha? Uns wurde geraten, spätestens ein Jahr nach der Entlassung eine weitere stationäre Reha zu machen. Ehrlich gesagt: Der Gedanke gefällt mir. Ein Jahr Durchhalten und dann ein paar Wochen für mich, das klingt gut.

Soweit für heute. Ich wünsche euch allen viel Kraft!

Christine

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