Ich bin hier schon länger stille Mitleserin und habe durch dieses Forum viel gelernt, wofür ich sehr dankbar bin. In der belastenden Situation der letzten Monate fehlte mir aber die Kraft, zu schreiben und selbst etwas beizutragen – deshalb schreibe ich erst jetzt.
Mein Lebensgefährte, Anfang 50, hatte einen schweren Schlaganfall rechtsseitig. Am Anfang haben mich die Neurologen mit den schlimmsten Prognosen konfrontiert: Er würde wahrscheinlich nicht mehr zu Bewusstsein kommen, und wenn doch, würde er wohl noch nicht mal lernen, im Rollstuhl zu sitzen usw.
Nun, in den letzten Monaten hat sich insgesamt sehr viel getan. Er ist noch in der Reha, übt dort das Gehen mit Vierpunktstock und mittlerweile auch Gehstock, übt Treppensteigen und steht so stabil, dass er ohne Hilfe den Toilettengang bewältigen könnte (auch wenn jetzt immer noch jemand zur Sicherheit dabei ist). Ganz langsam kehren erste Funktionen im Arm zurück. So viel zu den anfänglichen Aussagen der Neurologen. Diese Entwicklung hat mir gezeigt, dass viel möglich ist und man sich nicht von negativen Voraussagen von Ärzten entmutigen lassen darf. Besonders dankbar bin ich, dass seine Persönlichkeit unverändert ist und er seine Erinnerungen nicht verloren hat. Aufmerksamkeit, Kurzzeitgedächtnis, Konzentration sind noch gestört, verbessern sich aber. Wir können wieder so lachen wie früher, und er zeigt mir jeden Tag, wie dankbar er mir ist, dass ich ihn bei der Reha begleite.
Bei aller Freude über diese Fortschritte fühle ich mich oft hin- und hergerissen. Es gibt noch viele Baustellen. Und ich bin nach diesen elf Monaten total erschöpft, diesem ständigen Wechseln zwischen Angst und Hoffnung – das ist so zermürbend.
Die größte Baustelle ist das Sehen. Mein Lebensgefährte hat einen ausgeprägten Gesichtsfeldausfall links. Manches klappt schon besser, er fängt an zu verinnerlichen, dass er öfter den Kopf nach links drehen muss, findet beim Lesen den Zeilenanfang besser etc. Aber er hat auch sonst Probleme mit dem Sehen, die ich nicht richtig einordnen kann. Er kann zwar seinen Therapieplan lesen, aber manchmal erkennt er zum Beispiel seinen Rollstuhl nicht, obwohl er (im Bereich seines Gesichtsfeldes) direkt vor ihm steht. Wenn er sich auf das Gehen konzentriert, sieht er sehr schlecht. Mein Eindruck ist, dass er sich immer stark konzentrieren muss, um zu sehen und Dinge zu erkennen.
In seiner Selbständigkeit ist er außerdem stark eingeschränkt, weil die Fähigkeit zur räumlichen Orientierung gestört ist. Auf der Station findet er sich, nach einem halben Jahr Reha, immer noch nicht zurecht. Den Weg vom Bett zur Toilette habe ich bis zum Erbrechen mit ihm geübt, das klappt mittlerweile. Allerdings ist ihm zum Beispiel immer noch nicht klar, wo im Zimmer sein Tisch steht, er muss jedes Mal suchen.
Habt ihr mit solchen Problemen Erfahrungen? Und könnte das noch besser werden? Ich weiß, es kann sich noch viel ändern, und man muss unglaublich viel Geduld haben. Aber es ist so schwer, sich das immer wieder zu sagen, und nicht zu wissen, wie es weitergeht. Ich würde mich sehr freuen, wenn vielleicht der ein oder andere von euch mir etwas aus eigener Erfahrung berichten könnte. Schon einmal vielen Dank fürs Lesen!