#1
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo!

Ich hab vor ein paar Monaten, kurz nach dem SA meines Vaters, schonmal eine ähnliche Frage gestellt. Aber da die Forumsnutzer ja kommen und gehen, möchte ich die Frage nochmal stellen:
Mich interessieren die Erfahrungen von Angehörigen, deren Liebsten mit einer globalen Aphasie zu kämpfen haben? Was konnten die Betroffenen wieder erlernen? Wie sieht es neben Sprechen mit Lesen aus? Wie kommt Ihr mit der Sprachlosigkeit zurecht? Gibt es Lernspiele, - software, die Ihr empfehlen könnt? Mich interessiert alles in die Richtung 🙂

Bei meinem Vater ist der SA "erst" ein halbes Jahr her. Sein Sprachzentrum ist praktisch komplett ausgelöscht worden. Dennoch ist sein Sprachverständnis (anfangs gleich Null) schon wieder sehr gut, er versteht fast alles. Er behauptet auch lesen zu können, aber laut Logopäden ist das Sprachverständnis nur "in Ansätzen" vorhanden. Früher hat er sehr viel gelesen, jetzt kaum, daher gehe ich davon aus, dass er nicht wirklich lesen kann, es aber vielleicht nicht wahr haben will. Schreiben geht gar nicht, aber er übt mit dem Logopäden (ist mit links natürlich auch doppelt schwierig).
Spontansprache hat er leider außer ja und nein gar keine. Mittlerweile kann er laut bis drei zählen (das hört er am Tag tausendmal, wenn wir ihn vom Rollstuhl woanders hin umsetzen und steter Tropfen höhlt den Stein...).
Nachsprechen kann er wohl so einermaßen (bin selber bei den Therapien nicht dabei), auch komplexere Wörter wie "Osterglocke". Es heißt, er hat auch noch eine Sprachapraxie, was das Ganze natürlich nicht einfacher macht. Mit meiner Mutter und mir will er aber nicht üben, obwohl er beim Logopäden wohl sehr motiviert ist.

Wenn man über globale Aphasie liest (hab mir schon zwei Fachbücher zugelegt), dann bekommt man den Eindruck, man muss sich damit abfinden, dass da nicht mehr viel besser wird. Ich kann und will mich aber nicht damit abfinden, dass mein ehemals so sprachgewandter und belesener Papa jetzt für immer stumm bleiben soll. Er ist doch erst 60! schluchz.
Was in den Fachbüchern natürlich nicht so steht, sind die Erfahrungen im Alltag und das, was vielleicht doch im Einzelfall noch möglich ist. Also her mit Euren Erfahrungsberichten 🙂 Ob positiv oder negativ.

Vielen Dank schonmal und einen schönen Sonntag noch,
Ruth



#2
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Ruth,
 
ich hatte einen Mitpatient,- ein Rechtsanwalt, der hat mit dem Laptop gearbeitet und kam damit gut zurecht.
Wie es ihm heute geht, weiß ich nicht.
 
Ein anderer Mitpatient war Marktfahrer und konnte nur ga, ga, ga, sagen.
Von ihm habe ich gehört, dass er wieder sprechen kann.
 
Der schlimmste Fall, war wohl ein Mitpatient, der sich von seiner Frau getrennt hat,- nicht sie von ihm!!!
Er hatte eine Freundin vorher.
 
Allerdings lebt er heute nicht mehr, er hat sich das Leben genommen.
 
Du siehst hier drei Schicksale, die alle damit zurecht kommen mussten und wo die Familie unglaublich wichtig war.
 
Wenn Du deinem Vater hilfst, dass Logopäden sich um ihn kümmern, kannst du viel erreichen.
 
Ich wünsche dir dazu viel Erfolg.
 
Übrigens:
 
unter "google.de" findest du auch eine Menge über Aphasie.
 
Deinem Vater alles Gute
 
Liebe Grüße Manfred
#3
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Ruth,
mein Mann hat seit 12 Jahren eine schwere globale Aphasie. Damals war er 38 Jahre alt.
Er kann bis heute kein Wort sprechen, weder lesen noch schreiben. Gut ist sein Zahlenverständnis.
Ich kann gut mit ihm kommunizieren indem ich ihm "Ja/Nein" Fragen stelle und er die Möglichkeit mit "Daumen hoch" oder "Abwinken" zu antworten. Ich musste es vor allem lernen, keine "Oder" Fragen zu stellen.

Zitat:
Mich interessieren die Erfahrungen von Angehörigen, deren Liebsten mit einer globalen Aphasie zu kämpfen haben?

Wichtig ist nicht der Kampf mit oder gegen die Aphasie, wichtig ist m. E. diese anzunehmen!
Was natürlich nicht bedeuten soll, die Hoffnung aufzugeben und üben, üben, üben (aber dabei nicht überfordern).


Zitat:
Was konnten die Betroffenen wieder erlernen?

Bei meinem Mann (der nie wieder wird sprechen können, hat sich sehr das Sprachverständnis verbessert.
Kommt auch auf die jeweilige tägliche Verfassung an,
kann er heute einzelne geschriebene Buchstaben erkennen, Zahlen erkennen.
Kartenspiele oder Brettspiele bei denen es um das Zahlenverständnis geht.

Und was ihm sehr gut tut, wenn ich ihn immer wieder lobe, wie gut er das kann, wie stolz ich auf ihn bin,
wie gut ich ihn verstehen kann.

Zitat:
Früher hat er sehr viel gelesen, jetzt kaum, daher gehe ich davon aus, dass er nicht wirklich lesen kann, es aber vielleicht nicht wahr haben will.

Ich denke das gehört auch zum Krankheitsbild. Wenn ich meinen Mann frage, kannst du lesen, kannst du schreiben, kannst du sprechen, geht auch der "Daumen hoch".

Augenblicklich fällt mir für diese Antwort nicht mehr ein.
Ich wünsche dir und deiner Familie weiterhin Kraft und viel Geduld.



Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal bearbeitet, zuletzt von »admin« (06.05.2007, 20:23)
#4
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Ruth
 
Meine Freundin hat seit September 2004 eine Aphasie nachdem eine Hirnblutung ihr Sprachzentrum zerstört hat.
Sie konnte nicht ein Wort reden und auch nichts verstehen.Es kommt immer darauf an welche Bereiche des Sprachzentrums betroffen sind.Heute ist sie soweit das ihr Sprachverständnis fast zu 100% wieder da ist,mit dem sprechen geht es so gut das wir uns verständigen können und es wird immer besser.Mit Zahlen kann sie nichts anfangen,lesen geht auch nicht und schreiben tut sie alles was man ihr vorschreibt.Was sehr schwirieg ist rechts und links das verwechseslt sie immer noch.Allerdings hatte sie in der Reha zweimal am Tag Logopädie und das ein Jahr lang,jetzt wo sie zu Hause ist hat sie zweimal die Woche Logopädie.Schreiben übt sie jeden Tag für sich alleine und ist sehr stolz darauf wie schön ihre Schrift geworden ist da sie vorher mit der rechten Seite  geschrieben hat und jetzt alles mit links machen muss.Es ist verdammt schwer alles neu zu lernen ,laufen,sprechen,schreiben und lesen aber sie gibt nicht auf und deswegen bin ich sehr stolz auf sie!!!
 
 
Liebe Grüße Detlef und sein Floh
 
P.s...achja Medikamente können auch Einfluss auf das Sprachzentrum haben,das Problem hatten wir bei Medis für Epeleptika.

...die Hoffnung sirbt zuletzt,die Liebe nie!!!
#5
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bw

Gast

Hallo Ruth,

mein Vater hatte Mitte Februar einen Schlaganfall. Er ist genau wie Dein Vater rechtsseitig gelähmt, hat globale Aphasie und Apraxie und auch Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Seine Logopädin sagt, er habe auch große Sprachverständnisstörungen und versteht nur einzelne Wörter. Wenn ich mit ihm rede und merke dabei an seinem Gesichtsausdruck, dass er mich nicht versteht, formuliere ich die Sätze um oder benutze andere Wörter.
Hast Du mit Deinem Vater schonmal gesungen? Mein Vater ist sehr musikalisch, er hat auch bis vor seinem SA eine Posaune gespielt. Wenn ich anfange ein ihm bekanntes Lied zu singen, singt er aus vollem Hals mit und wir haben viel Spaß dabei. Die Worte hören sich zwar etwas "verschwommen" an, aber die Melodie ist klasse.
Schreiben klappt leider auch nicht, aber wir üben viel mit ihm.
Lesen kann er einzelne Wörter. Was ich aber feststellen konnte: Er kann in der Zeitung bekannte Tabellen lesen und auch verstehen, z.B. die Bundesligatabelle. Er schaut immer sehr lange darauf und zeigt mir mit den Fingern, wer noch absteigen kann und wer nicht.
Mein Sohn spielt schonmal mit ihm Memory , das fördert das Kurzzeitgedächtnis.

Liebe Ruth, Du und ich und viele andere Menschen wissen, wie schwierig es ist, mit so etwas umzugehen. Es ist sehr traurig, wenn der Vater nicht antworten kann. Aber niemand von uns kann sich glaube ich vorstellen, wie schwierig und traurig es ist, sich selbst nicht mehr ausdrücken zu können.

Ich wünsche Deinem Vater, Dir und Euren Angehörigen alles Gute.
Viele Grüße
Barbara
#6
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Unbekannt

Gelöscht

"Die Sprache zu verlieren ist genau so grausam wie eine Isolationshaft. Sich nicht mehr mit eigenen Worten verständigen zu können, berührt die persönliche Würde"

(Roman Herzog)
#7
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo Ruth,
 
bei uns ist es wie bei Dir. Mein Dad hat auch eine globale Aphasie. Sein Sprachverständnis ist auch besser geworden. Bei ihm kommt nur: "da da dada" raus. Manchmal - wenn er sehr agressiv ist - kommt dann auch mal ein Satz, den man sogar verstehen kann (wie gesagt, nur selten). Am Samstag war die Logopädin da. Mein Dad ist zur Zeit nicht therapiefähig was die Sprache angeht. Er hat schwere Depressionen (Wut/Agression) und ist mit allem überfordert. (uns geht es auch nicht anders - wir sind auch vollkommen überfordert).
Hinzu kommt dass die LogoP. meint, dass er nie mehr "Spontan sprechen" wird. Das war dann wieder ein Schlag ins Gesicht. Klar, wir geben wir Deine Familie auch nicht auf. Aber, es schmerzt immer wieder (auch wenn uns alles von Anfang an klar gemacht wurde) wegen dem Schaden im Hirn. Mist ... echt....
 
Ich kann Dir/Deiner Family nur die Daumen drücken und hoffe für uns verzweifelten auf ein Wunder.
 
Mir geht es wie Dir, liebe Ruth. Ich kann mich damit auch nicht abfinden - auch wenn mir nix anderes übrig bleibt....
 
LG und ich fühle mit Dir....
#8
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Unbekannt

Gelöscht

Hallo zusammen,
 
danke schonmal für Eure Antworten! Sprachverlust ist wirklich das Belastendste, das einem nach einem SA passieren kann. Dass Papa im Rollstuhl sitzt, finde ich wesentlich leichter zu akzeptieren. Wobei uns da große Hoffnung gemacht wird, dass er wieder laufen lernt 🙂
Eure Antworten zeigen mir aber auch, dass bei der globalen Aphasie auch eine breite Spanne möglich ist - von keinem Wort bis zu kurzen Sätzen. Also nie die Hoffnung aufgeben!
Habe vor, mit dem Logopäden mehrere Therapiestunden zu vereinbaren, ist leider bei ihm ein zeitliches Problem. Wie viele Logo-Stunden habt Ihr bzw. Eure Angehörigen denn ein halbes Jahr nach dem SA so gehabt? Unser Reha-Neurologe sagt ja, nach neusten Erkenntnissen bringt es mehr, hochfrequente Therapie zu machen und ab und zu mal ein Pause anstatt durchgehend weniger Stunden. Falls es geht, werden wir das mal probieren. Jetzt am Anfang kann man sicher die meisten Fortschritte erzielen.
 
Ach ja, singen kann mein Papa übrigens, macht ihm auch Spaß. Da es ja Lieder sein müssen, die er vor dem SA auswendig konnte, ist das Repertoire etwas eingeschränkt, aber was solls. Er singt auch gerne mehrmals dieselben Lieder. Fürs Sprechen lernen bringt das wohl nichts, aber ist einfach schön für ihn und für uns, wenn mal richtige Wörter aus seinem Mund kommen. Es klingt ewas verschwommen und nicht so ganz korrekt, aber man erkennt´s.
 
Liebe Grüße und alles Gute für alle Aphasie-Betroffenen...
Ruth
#9
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Anja

Gast

[quote]Zitat von Ruth
Hallo zusammen,
 
danke schonmal für Eure Antworten! Sprachverlust ist wirklich das Belastendste, das einem nach einem SA passieren kann. Dass Papa im Rollstuhl sitzt, finde ich wesentlich leichter zu akzeptieren. Wobei uns da große Hoffnung gemacht wird, dass er wieder laufen lernt 🙂
Eure Antworten zeigen mir aber auch, dass bei der globalen Aphasie auch eine breite Spanne möglich ist - von keinem Wort bis zu kurzen Sätzen. Also nie die Hoffnung aufgeben!
Habe vor, mit dem Logopäden mehrere Therapiestunden zu vereinbaren, ist leider bei ihm ein zeitliches Problem. Wie viele Logo-Stunden habt Ihr bzw. Eure Angehörigen denn ein halbes Jahr nach dem SA so gehabt? Unser Reha-Neurologe sagt ja, nach neusten Erkenntnissen bringt es mehr, hochfrequente Therapie zu machen und ab und zu mal ein Pause anstatt durchgehend weniger Stunden. Falls es geht, werden wir das mal probieren. Jetzt am Anfang kann man sicher die meisten Fortschritte erzielen.
 
Ach ja, singen kann mein Papa übrigens, macht ihm auch Spaß. Da es ja Lieder sein müssen, die er vor dem SA auswendig konnte, ist das Repertoire etwas eingeschränkt, aber was solls. Er singt auch gerne mehrmals dieselben Lieder. Fürs Sprechen lernen bringt das wohl nichts, aber ist einfach schön für ihn und für uns, wenn mal richtige Wörter aus seinem Mund kommen. Es klingt ewas verschwommen und nicht so ganz korrekt, aber man erkennt´s.
 
Liebe Grüße und alles Gute für alle Aphasie-Betroffenen...
Ruth
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#10
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Anja

Gast

[quote]Zitat von Ruth
Hallo zusammen,
 
danke schonmal für Eure Antworten! Sprachverlust ist wirklich das Belastendste, das einem nach einem SA passieren kann. Dass Papa im Rollstuhl sitzt, finde ich wesentlich leichter zu akzeptieren. Wobei uns da große Hoffnung gemacht wird, dass er wieder laufen lernt 🙂
Eure Antworten zeigen mir aber auch, dass bei der globalen Aphasie auch eine breite Spanne möglich ist - von keinem Wort bis zu kurzen Sätzen. Also nie die Hoffnung aufgeben!
Habe vor, mit dem Logopäden mehrere Therapiestunden zu vereinbaren, ist leider bei ihm ein zeitliches Problem. Wie viele Logo-Stunden habt Ihr bzw. Eure Angehörigen denn ein halbes Jahr nach dem SA so gehabt? Unser Reha-Neurologe sagt ja, nach neusten Erkenntnissen bringt es mehr, hochfrequente Therapie zu machen und ab und zu mal ein Pause anstatt durchgehend weniger Stunden. Falls es geht, werden wir das mal probieren. Jetzt am Anfang kann man sicher die meisten Fortschritte erzielen.
 
Ach ja, singen kann mein Papa übrigens, macht ihm auch Spaß. Da es ja Lieder sein müssen, die er vor dem SA auswendig konnte, ist das Repertoire etwas eingeschränkt, aber was solls. Er singt auch gerne mehrmals dieselben Lieder. Fürs Sprechen lernen bringt das wohl nichts, aber ist einfach schön für ihn und für uns, wenn mal richtige Wörter aus seinem Mund kommen. Es klingt ewas verschwommen und nicht so ganz korrekt, aber man erkennt´s.
 
Liebe Grüße und alles Gute für alle Aphasie-Betroffenen...
Ruth
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Hallo Ruth,
 
meine Mutter hatte im Februar d.J. mit 56 Jahren auch eine Hirnblutung (Aneurysma). Sie hat ebenfalls die globale Aphasie und kann nicht sprechen und kaum verstehen, wobei sich das Sprachverständnis etwas gebessert hat. Sie ist derzeit auf der Frührehastation in OL und bekommt 30 Minuten am Tag Logopädie. Ihre Lähmung im Bein und Arm geht jetzt zurück. Ich frage mich auch, ob denn 30 Minuten Sprachtherapie zu wenig sind. Hier gibt es "nur" 1,5 Arbeitskräfte auf der Station für diesen speziellen Bereich. Wir sind jetzt in den Verein "Bundesverband für Aphasiker" eingetreten. Hier gibt es auch Kontaktadressen zu Selbsthilfegruppen und Aphasiezentren. In Vechta gibt es ein größere Aphasiezentrum. Ich hoffe hier auf mehr Informationen von anderen Betroffenen / Angehörigen. Irgendwie muss man sich ja selbst helfen, wenn die Ärzte einen kauf aufklären. Ich habe gelesen, das die Therapeuten die Angehörigen mit einbeziehen. Leider ist das bei uns nicht der Fall. Weißt du da näheres drüber? Wir haben auch alle Angst, das es mit der Sprache nicht bergauf geht.
Uns wurde außerdem gesagt, dass meine Mutter aufgrund der globalen Aphasie keine "normale" Reha besuchen kann. Hast du auch diese Erfahrung gemacht?
 
Lieben Gruß
von Anja
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