Hallo Marlene und alle anderen hier.
Ich melde mich nach längerer Abwesenheit heute zurück.
Über meine beiden in 2019 zurückliegenden SA´e habe ich ja damals schon erzählt. Auch über die schwierigen und lästigen Wesensveränderungen, die diese Krankheit mit sich gebracht hatte. Es ist mir damals sehr schwer gefallen, mich wieder selber zu finden. Nicht unbedingt, damit ich, wie ich damals schon erzählt habe, wieder in die Familie "passe", oder sage, was sie hören wollen und nur, um wieder die zu werden, die sie alle gekannt haben.
Rückblickend kam es nach dem 2. Schlaganfall, der mich, so wie der erste, wieder komplett zurück geschmissen hat und nach dem ich dann auch noch gekündigt wurde, erst mal noch dicker. Die ersten beiden SA´e hatte ich im Abstand von ziemlich genau 3 Monaten. Kein Wunder, dass ich, als es wieder auf das Ende der nächsten 3 Monate zu ging, total in Panik ausbrach. Und voilá, wieder 3 Monate später passierte der dritte SA! Diesmal war wieder das Sprachzentrum zerschossen, aber diesmal hat es auch den Trigeminus-Nerv erwischt und mein Geschmackssinn war komplett dahin. Seitdem habe ich z.B. extreme Empfindungsstörungen zwischen dem linken Auge und dem Scheitel. Mit den Fingern brauche ich da nicht dran gehen, Haare bzw. der Pony ist nur "geduldet".
Ende vom Lied war damals erst mal, dass es, weil der Abstand zu kurz war, erst mal keine dritte Reha für mich gab. 10 Tage Krankenhaus, wieder auf der Stroke Unit, waren okay. Und dann? Noch während ich im Krankenhaus lag und absolut keinen Hoffnungsschimmer mehr hatte, wie ich, arbeitslos und durch den 3. SA also weiterhin krank, weiter machen könnte, bemerkte man bei mir den Beginn einer Depression, nicht zuletzt, weil mir durch den fehlenden Geschmackssinn auch der letzte Rest an Hofflung und ein bisschen restliche Lebensqualität genommen war. Nach den 10 Tagen Krankenhaus kam ich dann auch sofort im Anschluss im Oktober 2019 in eine örtliche Klinik mit der tatsächlichen Diagnose "schwere Depression".
In der Klinik habe ich dann 2 Monate an dem Trauma der Schlaganfälle und den daraus entstandenen Ängsten mit allen Therapeuten gearbeitet, aufgearbeitet, was zu den Schlaganfällen geführt haben konnte und es war überlebenswichtig, mich 2 Monate lang und unter entsprechenden Medikamenten wie in einer tröstenden Glasglocke zu fühlen. In dieser Zeit lernte ich sehr viele sehr wertvolle Menschen kennen, die an den unterschiedlichesten Formen der Depression und Ängsten litten, was ein paar wenige, aber sehr enge Freundschaften entstehen ließ.
Mit einer Sozialarbeiterin, die dort stundenweise für uns zuständig war, habe ich langsam und Schritt für Schritt an meiner Zukunft gearbeitet. Zuerst hat sie mir geholfen, meinen Grad der Behinderung (GdB) durchzubekommen. Mein erster, eigener Anlauf war in der Zwischenzeit mit "unter 10" abgeschmettert worden. Eigentlich eine Frechheit, bei der Vorgeschichte! Die Sozialarbeiterin riet mir daraufhin, den Antrag erneut über den VdK, wo ich inzwischen Mitglied war, einzureichen. Der Erfolg war, dass ich heute einen GdB von 50 habe und zwar unbefristet!
Außerdem hat sie mir die Möglichkeit weiterer Hilfestellung aufgezeigt. So bin ich über eine ambulante psychiatrische Pflegeeinrichtung an eine Pflegerin gekommen, die mich 2 x die Woche für eine Stunde aufgesucht hat, mit mir Sprachübungen gemacht hat und mich auch mental unterstützt hat, wenn es mir aufgrund meiner immer noch andauernden Sprachdefizite, Mutlosigkeit und Stimmungsschwankungen mies ging.
Nächster Schritt war, über das Kolpingwerk an einer Maßnahme für psychisch Kranke (mit meiner Vorgeschichte der SA´s war das gut zu Erklären) zur "Teilhabe am Arbeitsleben" teil zu nehmen. Im Vordergrund stand erst mal, überhaupt wieder einen strukturierten Alltag hin zu bekommen, denn an manchen Tagen ging es mir so schlecht, dass ich nicht mehr aufstehen wollte, trotz gut eingestellter Medikamentierung. Denn, für wen? Kein Job, krank.....?!?! Jedenfalls hat diese Maßnahme mir geholfen, meinen Weg trotz Einschränkungen weiter zu gehen. Die Voraussetzung der Maßnahme war, sich ein Praktikum zu suchen, um später eine Anstellung zu finden, die "leidensgerecht" wäre. In meinem Fall war es mein Glück, dass ein ehemaliger Chef mir dieses Praktikum anbot. Nach den Schlaganfällen konnte ich z.B. nicht mehr Kopfrechnen. Einfachste Additionen oder sogar Prozentrechnen ging gar nicht. Und das in meiner Position als gelernte Bürokauffrau und ehemalige Direktionsassistentin. Fatal für mich, aber die Chance bekam ich trotzdem.
Über dieses Praktikum, durch das ich langsam wieder geistig gefordert wurde, bekam ich die Sicherheit, dass ich auch mit technischen Hilfsmitteln mein Rechnen-Defizit kaschieren konnte. Das beim ersten SA entstandene Trauma aus dem Telefonat mit einem sehr aufgebrachten Kunden konnte ich gut in den Griff bekommen, indem ich darum bat, mit möglichst vielen Kunden am Telefon zu sprechen. Viele haben die Sprachstörung raus gehört, aber ich habe das bei Bedarf mit einer Vorerkrankung (die ich nicht näher erklärt habe) gerechtfertigt und mit einem Lachen überspielt und alles war gut. Ich habe mich also quasi als die Quoten-Behinderte hingestellt und fand das für mich völlig okay.
Am Ende habe ich über dieses Praktikum dann Anfang August 2020 und nach fast 17 Monaten Krankenstand wieder eine Stelle als Direktionsassistenz bei der kleinen Schwester einer großen, deutschen Bank bekommen und zwar nur (!), weil ich beim Vorstellungsgespräch ganz ehrlich gesagt habe, dass alle meine bisherigen Qualifikationen Makulatur wären, weil ich ganz neu anfangen müsste, mich hochzuarbeiten, denn einige Fähigkeiten wie Rechnen, logisches Denken, Verstehen von logischen Abläufen, klares Sprechen, Stress-Resistenz waren ja nicht mehr gegeben. Meinem neuen Chef hat es imponiert, dass ich nicht gesagt habe, ich könnte dies und das und alles kein Problem. Nein, ich war, ohne Mitleid haben zu wollen, einfach ehrlich und habe signalisiert, dass ich mich zurückkämpfen möchte, aber Zeit brauche und wir halt beide Geduld bräuchten. Die Anstellung wird bis zum heutigen Tag und für ein ganzes Jahr aufgrund meiner Vorgeschichte von der DRV gefördert, so dass mein Chef auch eine gewisse finanzielle Unterstützung für Situationen, wo er mich halt leider nicht einsetzen kann, hat.
Rückblickend kann ich sagen: ja, es war ein Kampf! Und ja, auch in der Familie ist es heute so, dass ich manchmal noch an-ecke, weil mich die lange Vorgeschichte (natürlich) verändert hat.
Meine Sprachdefizite sind jetzt, nach gut 2 Jahren, zumindest tagsüber fast völlig verschwunden! Die Schwindelanfälle, die mich nach den SA´n noch lange begleitet haben, haben irgendwann quasi langsam und fast unbemerkt von selber aufgehört. Durch die Medikamente (Blutverdünner, Blutdruck, Schilddrüse, Cholesterin und 2 Antidepressiva) brauche ich zwar jeden Morgen (!) immer noch eine gute Stunde, bis ich wieder klar und verständlich sprechen kann und mein Motor im Hirn anspringt, aber damit kann ich leben, da ich insgesamt mit allem gut eingestellt bin und sagen kann: es braucht einfach Geduld. Meine Motorik der rechten Hand ist nur noch eingeschränkt, wenn ich versuche, die Zahnbürste kreisen zu lassen. Na und? Dann putze ich mit links und brauche dafür 1 Minute länger. Der Geschmack ist immer noch eingeschränkt, aber immerhin schmecke ich noch ein bisschen. Und wem das Essen zu wenig gewürzt ist, weil ich mit dem Würzen natürlich jetzt sehr vorsichtig bin, der muss eben nachwürzen.
Ich kann sicher nicht behaupten, dass die drei SA´e einfach nur leichter bei mir abgelaufen sind als bei anderen. Das war nicht so und der lange Weg bis heute war sicher mindestens genauso beschwerlich für mich und meine Familie. Nur möchte ich einfach Mut machen, dass es zwar manchmal lange dauern kann, dass es aber von großer Wichtigkeit ist, immer an sich zu glauben. Alles mitzumachen, was einem empfohlen wird, um auch nur die kleinsten Schritte zu meistern. Dass man alle Hilfe annehmen sollte, die einem angeboten wird. Es ist eine Stärke, "ja" zu Hilfe zu sagen. Keine Schwäche! Dass man immer daran glauben muss, dass es auch eine Besserung geben kann. Bei mir hat es jetzt gut 2 Jahre gedauert.
Inzwischen bin ich soweit, dass ich einen Teil der Hilfe wieder zurück geben möchte. Ich arbeite nur noch in Teilzeit in meinem Hauptberuf, weil ich meinen Kopf sonst total überlaste. Dann stellen sich sofort Konzentrations- und Seh-Störungen sowie Bluthochdruck und Panik-Attacken ein. Aber ich habe mich kürzlich einer örtlichen Haushaltshilfe angeschlossen, wo ich mich um Kunden kümmere, die aufgrund von Krankheit kurzzeitig selber, so wie ich damals, z.B. nicht mehr ihren Haushalt erledigen können. Oder nicht mehr einkaufen können. Oder die einfach stundenweise ein bisschen Unterstützung im Alltag brauchen. Mir gibt es das gute Gefühl, etwas zurück geben zu können und außerdem erspart es mir das Fitness-Studio, da ich mich bei dieser Nebentätigkeit ausreichend bewege. Und bei Bedarf gebe ich den Kunden auch immer gerne eine Portion Zuversicht und Energie mit auf den Weg. Und es gleicht durch den Stundenlohn auch den Verlust aus, dass ich halt nicht mehr Vollzeit arbeiten gehen kann (und auch nicht mehr will).
So, das war jetzt ein langer Roman und ich bedanke mich bei allen, die vorher so nett und ausführlich ihre eigenen Geschichten geschrieben haben und auch mir so viel Mut zugesprochen haben!!- Danke !! - Ich bin glücklich, dass ich wieder "da" bin und wünsche euch allen, dass ihr das auch schafft, auch wenn es seine Zeit braucht. Und auch alles Gute und viel Geduld denjenigen, die Angehörige sind und einfach die Zuversicht brauchen, dass sich, auch in den kleinsten Schritten, etwas immer auch zum Positiven wenden kann!!!!