Marganna hat Recht. 5 Wochen sind nichts und ja, es wird besser. Und - ihr habt schon jetzt eine gute Ausgangsposition.
Mein Mann hat eine globale Aphasie - neben kognitiven und motorischen Problemen. War und ist sprachlich also deutlich eingeschränkter und beim Rest ebenfalls
Antriebslos war mein Mann auch. Er konnte ewig eine Wand anstarren. Einfach nur dasitzen und nichts tun - und viel schlafen. Geübt wurde nur wenn ich dabei war. Inzwischen übt mein Mann zumindest einiges alleine wenn ich ihn daran erinnere. Das ist ein kleiner Fortschritt. Ihn so zu erleben war schlimm für mich. Sehr schlimm. Weil mein Mann davor ein vielseitig interessierter und begabter Mensch war. Er war neugierig auf das Leben und die Welt. Und auf einmal war er so... Das war fast noch schlimmer für mich als seine ausgeprägte Aphasie. Heute, mit etwas Abstand, Gewöhnung und vor allem, seitdem es doch wieder besser wurde, denke ich manchmal, dass ihn dieses Antriebslosigkeit auch ein Stück weit vor der völligen Verzweiflung bewahrt haben könnte.
Es ist also besser geworden. Er benötigt nach wie vor mehr Schlaf - aber das halte ich für normal. Er geht aber inzwischen wieder von sich aus Aufgaben an. Nicht sehr oft, nicht verlässlich jeden Tag, aber immerhin - da geht es aufwärts.
Aus der Reha (4 Monate) ging mein Mann mit dem Wortschatz: "ja, nein, Tschüss" raus. Und dabei konnte man sich noch nicht einmal darauf verlassen, dass das Ja oder Nein auch das traf was er sagen wollte. Seinen Namen, meinen Namen... den wusste er nicht mehr. Lesen war nicht mehr möglich, von Schreiben ganz zu schweigen. An manchen Tagen verstand er komplexe Themen, am nächsten Tag war es eine Herausforderung für Ihn eine Tasse als solche zu erkennen.
Die Gesichtsmuskeln waren nach der Reha völlig im Eimer. Er hatte keinerlei Mimik mehr. Das musste alles auch trainiert werden (da hatte der Logopäde in der Reha mehr als geschlafen). Und die Schluckmuskeln schwächelten auch - allerdings konnte er normal essen. Die waren kurz nach dem Schlaganfall noch intakt. Das entstand m.E. auch durch die Sprachlosigkeit und dem Desinteresse des Logopäden (ich hatte darauf nämlich zum Ende hin angesprochen. Es wurde abgetan und ich dumme Nuss hatte an mir gezweifelt)
Heute, 4 Jahre danach, sagt mir mein Mann den Ampelfarbenwechsel korrekt an, kann mir sagen ob er oben oder unten im Haus ist, Sprichwörter vervollständigen und das eine oder andere Wort kommt auch spontan. Manchmal, sehr selten, auch ein vollständiger Satz. Beim Singen ist er textsicher - das geht richtig gut und die Gesichtsmuskeln sind wieder vorhanden - er hat wieder eine ausgeprägte Mimik. Sinnerfassend lesen ist wieder recht gut möglich, laut vorlesen aber nach wie vor eine Herausforderung (geht aber immer besser - ist aber tagesformabhängig)
Ich zähle das auf, damit Du sehen kannst was alles betroffen sein kann und was ihr im Vergleich dazu alles schon (wieder) habt.
Mit dem Wissen was ich heute habe, würde ich mir an Deiner Stelle Zuversicht gönnen. Da ist noch viel möglich. Allerdings möchte ich auch nicht verschweigen, dass mein Mann von sich aus, außer beim Gehen, keine Fortschritte gemacht hätte. Einfach weil er freiwillig nie geübt hätte. Da steckt schon sehr viel Zeit/Energie von mir mit drin und auch viel Kreativität.
Was Du bezüglich seiner Gesichtsmuskulatur beobachtest hast ist aber wichtig und dem Schwächeln mangels Sprachübungen muss man entgegen wirken. Andernfalls fällt das Sprechen wieder schwerer und wenn's dumm läuft irgendwann auch das Schlucken. Und dann beginnt der Teufelskreis.
Was übrigens gut für die Gesichtsmuskulatur ist: Joghurt (ohne Fruchtstücke) mit dem Strohhalm trinken. Das Saugen stärkt die Muskulatur und es schmeckt dazu auch noch - und hilft den Flüssigkeitspegel zu erhöhen.
Und Wie kannst Du das Sprechen anregen? (ja Du, weil Dein Mann an der Stelle vermutlich noch Unterstützung benötigt.)
Ich vermute mal, dass Du ihn nicht täglich besuchen kannst. Aber ihr könnt telefonieren.
Als Übungen für Wortabrufe kann man Sprichwörter vervollständigen spielen. Ich habe das während der zweiten Reha meines Mannes (die er während eines Lock-Downs hatte und deshalb nur ganz selten Besuche möglich waren) am Telefon gespielt. Einfach weil ich nicht wollte, dass mein Mann außerhalb der Therapiezeiten wie ein stummer Fisch auf seinem Zimmer sitzt. Wir hatten gerade erfolgreich die schwachen Gesichts-, Rachen- und Halsmuskeln bekämpft, das sollte nicht umsonst gewesen sein. Jedenfalls hat das ganz gut geklappt und außerdem unterstützt das zudem gegen die kognitiven Defizite anzugehen.
"Stadt, Land, Fluss" raten wäre eine Möglichkeit. Schau mal hier im Forum unter "Gedächtnis- und Reaktionsspiele". Da kann man einiges übers Telefon spielen. Und schau mal hier rein: madoo.net - Therapiematerial für die Logopädie .. da findet sich auch einiges was man als Spiel nutzen kann - auch am Telefon.
Ist Dir das Prinzip der "Anlauthilfe" bekannt? Falls nein, schau mal hier rein (das funktioniert) Fehlerreduzierendes Lernen als Methode in der Aphasietherapie: Drei Beispiele aus der patholinguistischen Praxis (uni-potsdam.de) - So kannst Du evtl. doch beim "Wörter auf den Weg bringen" unterstützen. Früher half bei meinem Mann die Anlauthilfe sehr gut. Inzwischen unterstützt ihn mehr, wenn ich umschreibe wofür das Wort das er sucht genutzt wird. Sucht er z.b. das Handtuch, dann sage ich: Du brauchst es um Dich abzutrocknen. Meist kann er es dann aussprechen. Früher war es hilfreicher wenn ich das H mit den Lippen vorgeformt oder ausgesprochen habe. Inzwischen hat er aber zu viele Wörter im Gebrauch die mit H beginnen, da kommt er wohl besser damit klar, dass ich diese Um/Beschreibungen verwende.
Du musst das einfach ausprobieren. Dich heran tasten. Da ist jeder anders und es verändert sich auch manchmal.
Ihr könnt gemeinsam singen. Singen geht bei den meisten Aphasikern. Selbst bei meinem Mann, der ja anfangs nur 3 kleine Worte als Sprachschatz hatte. Die Volkslieder seiner Kindheit, die sassen. Da kam auch der Text und manchmal war er sogar sattelfester als ich. Wir singen auch heute noch viel und er hat daran Freude.
Falls Dir gar kein Lied einfallen sollte, oder ihr meint, ihr könnt nicht singen.. "Marmor, Stein und Eisen bricht" ist ideal. Man kann es gröhlen, man kann es laut und leise singen. Mit Inbrunst und schlampig, falsch oder richtig. Versuchs mit ihm. Anfangen kann man das so nebenbei indem man anfängt das zu summen um dann den Text einfließen zu lassen - ich hab' beim ersten Mal gefragt: fällt dir ein wie das weiter geht? Und schon waren wir mitten drin.
Gut ist auch "es gibt kein Bier auf Hawai" (wir lieben das )oder neuerdings "die Gedanken sind frei".
Weshalb hat er eigentlich in der Reha, wenn doch die Aphasie sein Hauptproblem ist, nur 3x die Woche Logopädie? Und wie oft hat er Ergotherapie, speziell Hirnleistungstraining. Wie sieht es mit Neuropsychologie aus?
Jetzt habe ich so viel geschrieben. Ich hoffe, Du fühlst Dich nicht erschlagen. Eigentlich wollte ich nur sagen, dass das was ihr nach 5 Wochen habt eine gute Basis ist.
Natürlich ist es bei euch durch die Selbständigkeit Deines Partners schwieriger. Er wird sich nicht so lange "Krank sein" erlauben können und vor allem keine Antriebslosigkeit. Man kann viel im Beruf erreichen - auch mit Einschränkungen - so lange man nicht antriebslos ist.
Wurde denn schon einmal untersucht, ob Dein Partner unter einer Depression leiden könnte?